Einblicke – Jeder Mensch ist anders komisch

6.30h Hamburg Altona. Der Wecker klingelt. Die Chefin öffnet die Augen. Sie ist müde, will nichts denken und lauscht entspannt dem Vogelgezwitscher. Ein Gefühl der Vorahnung  krabbelt an ihrem Körper hoch.

„Ist das nicht gemüütlich im Bett, dreh dich doch einfach um und schlaf noch ein bisschen, später kann dir dein Mann das Frühstück ans Bett bringen, dann genießt du in aller Ruhe dein neues Buch, mit dem du dich ja so herrlich wegträumen kannst und dann drehst du dich wieder um und schläfst herrlich weiter…ach, wie gemüütlich!!

„Halt einfach die Klappe, Quatschi“, mischt sich zum Glück gerade noch rechtzeitig Dizzy, die Disziplinierte, in das Geschehen ein. „Wir haben nachher noch ein wichtiges Meeting und die Chefin muss raus aus den Federn!“ Der Quatschi zieht kichernd von dannen und erhält im Vorbeigehen einen freundschaftlichen Klaps von Fee, der Fürsorglichen, die ihm schmunzelnd „bis später Quatschi“ zuraunst, um im Anschluss Dizzy, der Disziplinierten, freundlich zu verstehen zu geben, dass die Chefin schon noch 5-6 Minütchen liegenbleiben könnte.

Nach dem Frühstück beginnt die Fahrt  mit dem Auto ins Büro. Der Verkehr fließt, alles rollt, die Ampel ist grün, springt auf gelb und gefühlte 3 Autos hätten die Kreuzung noch locker passieren können. Genau das war wohl dem Fahrer vor der Chefin so gar nicht klar, denn er steigt in die Eisen und kommt – die Ampel ist immer noch gelb – mit einem deftigen Rück zum Stehen. Die nun unumgängliche Vollbremsung sorgt für eine Verteilung von mitgebrachtem Obst, Handtaschenutensilien, Schlüsselbünde überall im Auto. Zeitgleich brüllt Woody, die Wütende: „ja sind Sie denn bescheuert, Sie Vollpfosten, man sollte Ihnen den Führerschein entziehen und Ihnen verbieten jemals in diesem Leben nochmal diese Strecke zu fahren. GGGRRRRR. Getrieben von Woody, der Wütenden hat die Chefin bereits die Klinke der Fahrertür in der Hand und ist wild entschlossen, den Vollpfosten aus dem Auto zu ziehen und zur Rede zu stellen.

Die Mannschaft ist in Aufruhr. Fee, die Fürsorgliche traut sich zuerst, nimmt Woody, die Wütende ganz leicht am Arm und landet daraufhin im nächsten Augenblick außerhalb des Spielfelds. Sofort umzingeln Enni, die Entspannte, Sweetie, die Humorvolle und Klara, die Verständnisvolle Woody, die Wütende und versuchen sie mit aller Kunst zu beruhigen.

Jetzt kommt auch noch Quatschi angehüpft und strahlt – zum Entsetzen aller – Woody, die Wütende, mit den Worten an: “Aaaction! Yeah! Woody, lass Dir bloß nix gefallen!!“

Die Fahrertür wird mit viel Schwung geöffnet, die Mannschaft ruft wild durcheinander und eine Lösung scheint so gar nicht in Sicht. Im wahrlich letzten Moment nähert sich Pragma, die Pragmatikerin in völliger Ruhe, aber mit klaren Schritten der Situation und sagt mit fester Stimme: „Ruhe im Karton, die Chefin muss los, denn sie hat einen Termin und das ist das, was zählt“. In diesem Moment springt die Ampel auf grün und – wenn auch mit leichter Verzögerung – der Vollpfosten fährt davon. Pragma, die Pragmatikerin und Fee, die Fürsorgliche beruhigen die Mannschaft und schlagen vor, ein paar meditative Entspannungsübungen zu machen. Währenddessen kommt  die Chefin in der Firma an und bereitet sich auf das in Kürze beginnende Meeting vor. Pragma, die Pragmatische, Fuchsi, die Schlaue und Traudl, die Selbstbewusste stehen parat, kurz vor Beginn des Meetings gesellen sich Zoé, die Zuversichtliche und Ehrenfrieda, die Ehrgeizige zur Runde. Die Chefin schaut auf die Uhr, atmet kurz durch und denkt: „In einer Stunde habe ich den Deal in der Tasche!“

Die Chefin betritt den Konferenzraum, die Mannschaft ist siegessicher. Man hat ja lange an der Ausarbeitung der Strategie für den Ausbau des Neugeschäfts gearbeitet. Es winkt ein fetter Auftrag, der durch damit verbundene sichere Bonizahlungen der Chefin ein Lächeln ins Gesicht zaubert. Die Präsentation beginnt und die Chefin und ihre Mannschaft sind durchaus zuversichtlich. Plötzlich signalisiert der Kunde Redebedarf und bittet um eine Unterbrechung. Oh nein, der Kunde hat sich spontan umentschieden. Aufgrund von Umsatzeinbußen im Ausland wird ohne Vorwarnung das Budget mehr als halbiert, die Planung ist somit hinfällig und muss komplett überarbeitet werden.

Pragma, Fuchsi, Traudl, Zoé und Ehrenfrieda stehen unter Schock und sind bewegungsunfähig. Schada, die Traurige, Tina, die Enttäuschte und Aiko, die Ärgerliche drängeln sich in die 1. Reihe, Pragma und Co stehen immer noch fassungslos dahinter. Keiner merkt wie Baby, das Kind, sich zu ihnen gesellt. Es weint und riesengroße Kullertränen tropfen ungebremst und mit großem Getöse zu Boden. Es trampelt und kratzt und spuckt und tritt und schafft es mit Leichtigkeit alle anderen zu verdrängen. Die Chefin steht im Konferenzzimmer und kämpft mit den Tränen. Das darf doch nicht sein, wie peinlich ist das denn. Prompt kommt auch noch der Quatschi um die Ecke und doziert als hätte er die Weisheit mit Löffeln gefressen: „ was geht denn hier ab, du hast doch immer eine Lösung, du bist doch die Gewinnerin, der Kunde ist doof, der Kunde ist sooo doof…“. Zum Glück schafft es Pragma doch noch in die erste Reihe und kann die Chefin in letzter Sekunde überzeugen, sich kurz zu entschuldigen und die Toilette aufzusuchen. Durch den Positionswechsel kommt Bewegung ins Team und Fee, die Fürsorgliche, Erwina, die Erwachsene und Libi, die Liebevolle eilen Baby zur Seite. Sie nehmen Baby in den Arm und spenden auf die allerschönste Weise Trost und Zuversicht. Auch führen sie beruhigende Gespräche mit Schada, Tina und Aiko. Die Chefin beruhigt sich auf wundersame Weise. Pragma, die Pragmatische und Dizzy, die Disziplinierte aber auch Erwina, die Erwachsene übernehmen das Kommando und bitten noch Verena, die Souveräne zur Gruppe dazu. Schnell bringen sie gemeinsam und sich ergänzend das Spielfeld der Chefin wieder in Balance. Die Chefin beendet das Meeting mit entspannter Souveränität, man verständigt sich auf einen neuen Termin zur Präsentation des überarbeiteten Angebots auf Basis der veränderten Bedingungen. Der Kunde bedankt sich bei der Chefin für ihr großzügiges Verständnis und ihre professionelle Haltung und lässt durchblicken, dass man auf dieser Basis sicher noch viele Jahre der gemeinsamen Geschäfte vor sich hat.

Das Meeting ist zu Ende und die Chefin sitzt in ihrem Büro. Prompt kommt der Quatschi um die Ecke und raunzt: „so ein doofer Kunde, so ein unfassbar doofer, doofer Kunde, schmeiss ihn raus und deinen Chef, dieses Weichei gleich mit.“ Fee, die Fürsorgliche und Fuchsi, die Schlaue sind zur Stelle und auch Sweetie, die Humorvolle unterstützt die Beiden bei ihrem Ziel, Quatschi in die Schranken zu weisen, der sich beleidigt von dannen macht. Die Drei führen einen entspannten Dialog über die positiven Aspekte des Meetings und sind sich einig, dass man zukünftig Traudl, die Selbstbewusste und Ehrenfrieda, die Ehrgeizige doch ein bisschen an der Hand nehmen sollte. Denn für zu viel Siegessicherheit kann man einen hohen Preis zahlen. Fuchsi, die Schlaue fasst nochmal die positiven Aspekte der veränderten Situation zusammen und ermutigt das Team, aus Fehlern zu lernen.  Fee, die Fürsorgliche erinnert an die Weisheit des Satzes: „Sometimes you win, sometimes you lose“. Zum Schluss fängt Sweetie, die Humorvolle, an zu tanzen, lockt wie Kaa, die Schlange aus dem Dschungelbuch, Quatschi heran, der ja immer für einen Lacher gut ist und gemeinsam singen sie aus vollem Hals Herbert Grönemeyers Song „Sekundenglück“.

Die Mannschaft klatscht sich am Ende dieses spannenden Tages ab und die Chefin schläft nach einem Glas Rotwein beseelt auf der Couch zuhause ein.

Karin Heinrich
12.06.2019
         

Kommentare gerne an info@karinheinrich.de

search previous next tag category expand menu location phone mail time cart zoom edit close